Lee Millers Fotografien geben einen einzigartigen Einblick in das Ende des Zweiten Weltkriegs aus der Perspektive einer unerschrockenen, künstlerisch hochbegabten Frau. Die junge Amerikanerin entwickelt ein außergewöhnliches Talent, das sie bis heute zur Ikone in der dokumentarischen und künstlerischen Fotografie macht. Dieses Foto zeigt Kate Winslet als Lee Miller in dem Spielfilm Die Fotografin (2024).
PODCAST: Lee Millers Sohn Antony Penrose und seine Tochter
Wer sich näher mit dem künstlerischen Leben von Lee Miller beschäftigen möchte, dem kann ich meine zwei Podcast-Episoden mit ihrem Sohn Antony Penrose und dessen Tochter Ami Bouhassane empfehlen. Diese Aufnahmen sind im Bucerius Kunst Forum in Hamburg entstanden. Das liegt knapp zwei Jahre zurück, wir trafen uns zu Beginn der Lee Miller Ausstellung. In diesem Gespräch gewährt Antony Penrose sehr persönliche Einblicke in das Leben und das künstlerische Erbe seiner Mutter. Und über das schwieriges Verhältnis, das er zu ihr hatte. Die beiden Episoden bieten einen aus meiner Sicht einen sehr gelungenen Zugang zum Lebenswerk und zu der eher unbekannten privaten Seite dieser außergewöhnlichen Frau.
Vom Model zur Kriegsfotografin
Das erfolgreiche Model aus der New Yorker Modeszene zieht es Ende der 20er Jahre nach Frankreich. Die Frau von den Titelseiten der New Yorker Vogue posiert auch in Paris vor den Kameras. Mit viel Geschick überredet sie den Surrealisten und Fotografen Man Ray, um als Assistentin in dessen Studio arbeiten zu können. Und dann greift Lee Miller selbst zur Kamera, sie arbeitet in der Modewelt und in der Pariser Kunstszene. Und ganz wichtig: Sie schöpft aus der Arbeit mit Ran May viel für ihre eigene künstlerische Laufbahn. Es folgt eine Reihe von Ortswechseln, die ich hier überspringe. Hier das Buch von Antony Penrose mit einem Vorwort der Schauspielerin Kate Winslet.
Luftangriffe in London, erste Kriegsberichte
Jedenfalls bricht Lee Miller mit dem bunten Leben in Frankreich, und zieht nach London zu dem Künstler Roland Penrose. Dort erlebt sie die Fliegerangriffe der deutschen Luftwaffe. Und dann folgt der entscheidende Schritt: Wenig später meldet sie sich bei der US-Army, um künftig als Fotografin und Journalistin die Schrecken des Krieges zu dokumentieren – und das freiwillig, gelegentlich gegen Widerstände.
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Warum sie diesen für sie riskanten Weg einschlug, bleibt eine der großen Fragen in ihrer Biografie. Ihr Mut und ihre Entschlossenheit sind bewundernswert. Mit dem Ergebnis, dass ihre Arbeiten heute zu den bedeutenden Dokumenten des Zweiten Weltkriegs gezählt werden. Dieses Foto zeigt Lee Miller in ihrer US-Uniform im Jahr 1943.
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Und hier ein Still aus dem Spielfilm Die Fotografin mit einer energischen, großartigen Kate Winslet als Lee Miller.
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Lee Miller in München im Amerikahaus
Die Ausstellung im Amerikahaus beleuchtet die Vielseitigkeit der Fotografin, die sich in keiner ihrer Rollen festlegen ließ – sei es in den surrealistischen Experimenten in Man Rays Atelier, in der Modefotografie oder in den schonungslosen Kriegsbildern. Viele kennen wohl das legendäre Foto, das Lee Miller in Hitlers Badewanne zeigt, das sie zusammen mit dem Life-Fotografen David E. Sherman aufnahm. Hier ein Still aus dem Spielfilm Die Fotografin.
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München – die Stunde Null
„Mit ihren Fotografien hat Lee Miller eines der wichtigsten Dokumente der sogenannten Stunde Null in München geschaffen“, schreibt das Amerikahaus, wo die Bilder bis zum 31. Juli 2025 zu sehen sind (Eintritt kostenlos).
Ihre Kamera, eine Rolleiflex, begleitet Lee Miller jahrelang als Kriegsreporterin an entscheidenden Schauplätzen wie London, Frankreich und bei Kriegsende in den deutschen Konzentrationslagern im KZ Buchenwald und im KZ Dachau.
Lee Miller in Film und Fotografie
Vor wenigen Monaten feierte der britische Spielfilm „Die Fotografin“ mit Kate Winslet in der Hauptrolle Premiere, Regie führte Ellen Kuras. Der Film widmet sich dem Leben von Lee Miller und ist inzwischen auf DVD erhältlich. Einige Stills aus dem Film habe ich hier in den Artikel eingebaut.
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Lee Miller im Bucerius Kunst Forum
Im Jahr 2023 gab es eine Lee Miller – Ausstellung in Hamburg, organisiert und kuratiert von der Leiterin Dr. Katrin Baumstark. Und damals hatte ich die einmalige Gelegenheit, mit Lee Millers Sohn Antony Penrose und seiner Tochter Ami Bouhassane, ein Gespräch zu führen. Dankenswerterweise arrangiert von Ineke Rickert von der Presseabteilung.
Hier der Link zu dem Blogartikel über die Ausstellung in Hamburg
Lee Miller im Bucerius Kunst Forum, Hamburg
Es war für mich ein denkwürdiger Nachmittag, als ich Lee Miller Sohn und seiner Tochter in Hamburg begegnete. Denn Antony Penrose erzählt ganz offen über das häufig schwierige Leben mit seiner Mutter, und über ihr Alkoholproblem. Und er wundert sich bis heute über die sonderbare Fügung des Schicksals, dass er, ein Milchbauer aus Südengland, unverhofft als Verwalter des künstlerischen Nachlass seiner Mutter unterwegs ist – und das weltweit, wie er berichtet. Nebenbei hält Antony Penrose Vorträge über den Surrealismus, die auch auf YouTube zu sehen snd.
Leben nach dem Krieg – in Farleys House
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Nach dem Krieg scheint für die einst so unerschrockene Kriegsreporterin alles an Sinn zu verlieren. Sie hat zu viel gesehen, zu viel durchlebt. Was heute als posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert würde, bleibt damals unerkannt. Ihr Sohn Antony Penrose sieht es jedenfalls so. Er verwaltet heute ihr Erbe und das ihres Mannes, des Künstlers Roland Penrose, im englischen East Sussex. Ihr ehemaliges Zuhause, das Farley Farm House, hat er gemeinsam mit seiner Tochter Ami in ein Museum verwandelt.
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Antony Penrose organisiert Ausstellungen, bringt Bücher heraus, dreht Filme – alles, um das Vermächtnis seiner Mutter zu bewahren. Dazu gehört jetzt auch die Werkschau in München, die Lee Millers verschiedenen Schaffensphasen beleuchtet.
Das Leben mit einer schwierigen Mutter
Dass ihr Sohn erst spät von diesem künstlerischen Erbe erfuhr, macht ihre Geschichte umso erstaunlicher. Der Krieg – ein Tabuthema. Seine Mutter erzählte ihm, ihre Fotos seien zerstört, nichts sei erhalten geblieben. Während Picassos und Mirós Werke an den Wänden hingen, Geschenke befreundeter Künstler. Sie alle wurden von Lee Miller in diesem Anwesen köstlich bekocht und bewirtet. Die Kamera nahm sie praktisch nie wieder in die Hand. Stattdessen widmete sie sich dem Landleben, und das sehr kreativ auf höchstem Niveau. Ihre originellen Rezepte und künstlerischen Kreationen aus der Küche hat sie gerne ihren Gästen serviert. Im Farleys House in East Sussex hat Lee Miller den Rest ihres Lebens verbracht.
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Ein Hinweis in eigener Sache: Die meisten Fotos, die in Büchern und Ausstellungen gezeigt werden sind urheberrechtlich geschützt. Der Lee Miller Estate, geleitet von Lee Millers Sohn, Antony Penrose, hat mir gestattet, eine Reihe von Fotos für diesen Blogartikel zu verwenden.
Der Link zum Lee Miller Estate:
Farleys House – Lee Miller Estate
Hier der Link direkt zum Lee Miller Archiv
Der Link zum Amerikahaus in München:
Amerikahaus München – Lee Miller
Foto von Lee Miller in Uniform Wiki CC:
Im September lief in den deutschen Kinos der Spielfilm „Die Fotografin“ mit Kate Winslet als Lee Miller. Die Rechteinhaber haben mir dankenswerterweise eingeräumt, diese Fotos hier zu nutzen. Inzwischen ist der Spielfilm auf DVD erschienen.
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Kommentare von Kay Dethlefs