Welche Gewissheiten gibt es noch? Dass die Sonne morgen wieder aufgeht? Dass Demokratien stabil bleiben? Dass Geschichte sich nicht wiederholt? Fragen wie diese stellt das Team der dokumentarfilmwoche hamburg – und sie treffen einen Nerv. Denn vieles, was lange selbstverständlich schien, steht heute auf wackeligem Grund. Die Zeiten sind rauer geworden. Nicht nur global – auch ganz konkret vor unserer Haustür. Angebot und Auswahl an heraus ragenden Filmproduktionen sind groß, deshalb hier einige Tipps:

Hingabe und Großzügigkeit: Kristina Konrad

 Von der schweizer Filmemacherin Kristina Konrad sind gleich mehrere Werke zu sehen. Zu ihrer Haltung als Filmemacherin lese ich in der Broschüre zum Festival den wunderbaren Satz: „Es muss eine Qualität dahinter stehen, die ihr besonders eigen ist, eine sofort spürbare Hingabe und Großzügigkeit.“ Für Enthusiasten sind die Tage in Hamburg eine wunderbare Gelegenheit, mit der Regisseurin und Produzentin ins Gespräch zu kommen. Sei es im Anschluss an ein Filmscreening – oder bei einem Werkstattgespräch im Festivalzentrum.

Kristina Konrad
Kristina Konrad

Tempi Passati – Die Zeit, die bleibt – von Kristina Konrad

Der neue Film berührt ein ewig aktuelles und zentrales Thema: Das Älterwerden, oder direkter gesagt: das Altwerden der Eltern. Die Regisseurin Kristina Konrad begleitet und beobachtet ihre Mutter mit der Kamera in Gesprächen: „Geduldiges Hinschauen und Zuhören, ein Gespür für Momente, in denen etwas aufscheint, eine empathische und engagierte Nähe…“ lautet der Text im Programmheft.

Tempi Passati – Die Zeit, die bleibt – von Kristina Konrad,  Freitag, 25. April um 10.30 Uhr im 3001, Schanzenstr. 75
Cuando éramos felices y n lo sabiamos – von Kristina Konrad – Do, 24. April um 18.30 Uhr im Lichtmess, Gaußstr. 25

 Werkstattgespräch mit Kristina Konrad:

Sonnabend, 26. April, 11 Uhr,  im Festivalzentrum fux eG, das ist die ehemalige Kaserne im Zeiseweg 9 in Altona.

Heinz Emigholz: Kadrierter Krieg

Seit über fünf Jahrzehnten arbeitet Heinz Emigholz unermüdlich daran, das Medium Film neu zu denken – und hat dabei ein Werk geschaffen, das sich irgendwo zwischen Architektur, Zeichnung und experimentellem Kino bewegt. Mit seinem unverkennbaren Stil gilt er als einer der ganz Großen des Architekturfilms.

Filmemacher Heinz Emigholz - Foto: Petra Nettelbeck
Filmemacher Heinz Emigholz – Foto: Petra Nettelbeck

Jetzt bringt Emigholz frischen Wind auf die dokumentarfilmwoche: Sein neuer Film NYC, October 10, 2022“, greift einen ungewöhnlichen Fall aus der Kunstwelt auf: Vor fünf Jahren verschoben mehrere Museen eine Retrospektive des Künstlers Philip Guston. Auf einigen seiner Bilder wurden maskierte Mitglieder des Ku-Klux Klan entdeckt. Der Comiczeichner Art Spiegelman (Maus) gibt in der Emigholz‘ Doku eine Einführung zu dem Thema.

Foto: NYC, October 10, 2022 - Der Künstler Art Spiegelmann ("Maus")
Der Künstler Art Spiegelmann („Maus“) Foto: NYC, October 10, 2022

Wer war Guston? Der in Kanada geborene Guston (gestorben 1980), Sohn russisch-jüdischer Einwanderer wird zu den einflussreichen US-Künstlern des 20. Jahrhunderts gerechnet.

Auch der Kurzfilm „Innsbruck, 6. März 2023“ von Heinz Emigholz ist in Hamburg erstmals zu sehen.

Im Rahmen des Werkstattgesprächs in Hamburg geht es nicht nur um die Filme selbst, sondern auch um die Prinzipien hinter Emigholz’ künstlerischem Schaffen – besonders spannend: Wie sich Zeichnung und Film bei ihm begegnen, beeinflussen und manchmal auch ineinander übergehen. Wer seine Werke kennt (oder jetzt neugierig wird), weiß: Diese Kombination ist außergewöhnlich.

Werkstattgespräch mit Heinz Emigholz – Do, 24. April, um 11 Uhr im Festivalzentrum

Welturaufführung:

NYC, October 10 – von Heinz Emigholz
Do, 24. April im Lichtmeß, Gaußstr. 25 um 16.30 Uhr

Direct Action – Politischer Kampf

Bemerkenswert erscheint mir das Thema des deutsch-französischen Produktion Direct Action. Die selbstverwaltete Gemeimschaft im Nordwesten Frankreichs klingt nach einem erfolgreichen Modell des Widerstands, in diesem Fall gegen den Bau eines geplanten Flughafens.

Direct Aktion - Foto: Filmgarten
Direct Aktion – Foto: Filmgarten

Heute, nach vielen Kämpfen und Versuchen, das Gelände zu räumen, blüht hier eine hierachiefreie Gemeinschaft, ein „soziales Experiment jenseits kapitalistischer Strukturen“.  Brotbacken und  Konzerte, der über zwei Stunde lange Film dringt tief in die vielen Schichten des Themas ein. Ein Film von Ben Russel und Guillaume Cailleau, der bei der Aufführung dabei ist.

Direct Aktion - Foto: Filmgarten
Direct Aktion – Foto: Filmgarten

Direct Aktion – von Ben Russel und Guillaume Cailleau.

Sonntag, 27. April, 12.45 Uhr im Metropolis, Kleine Theaterstr. 10.

Hier der Link zum Programm des Festivals:

https://www.dokfilmwoche.com/

Autor: Kay Dethlefs