Das große Ereignis in der Hamburger Kunstszene – ohne Besucher. Die Jahresausstellung in der Hochschule für bildende Künste (HFBK) blieb in der Krise für das Publikum geschlossen, digital war immerhin einiges möglich. Karla Zipfel studiert bei dem neuseeländischen Installationskünstler Simon Denny. Sie hat sich mit einer Zoomkonferenz einige Besucher in den Raum geholt. Auch Karla Zipfel hat mir meine fünf Fragen beantwortet.

5 Fragen an Karla Zipfel

Diese Jahresausstellung war sehr speziell, komplett digital, wie war das für Dich als Künstlerin? Und wie sind Deine Gedanken dazu?

„Für mich war es keine Frage, dass ich trotzdem eine physische Arbeit fertigstellen möchte. Ich mache Installationen, da ist jeder Anlass, etwas aufzubauen auch die Möglichkeit, eine Arbeit zu Ende zu denken. Zeitweise fühlte es sich aber schon so an, als ob ich ein Foto-Set aufbaue, dessen einziger Zweck darin besteht, später als Dokumentation in meinem Portfolio zu landen.  Das hatte aber auch Vorteile: Als meine Plastik Lieferung nicht rechtzeitig ankam, bastelte ich Attrappen aus Pappkarton und malte sie mit Edding an. Der fotografischen Illusion halten sie stand.“

secon nature, Installation von Karla Zipfel
second nature, Installation von Karla Zipfel
„Ich bin ehrlich gesagt froh, dass mich die Pandemie zu einem Zeitpunkt erwischt, in dem ich noch den Schutzraum der Hochschule habe.“
– Karla Zipfel

Was für ein Gefühl war das, dort mit Gesichtsschutz zu stehen und Deine Installation nur digital zeigen zu können?

„Es lag eine gewisse Melancholie über den Präsentationen, weil die Annehmlichkeiten, die normalerweise auf die harte Arbeit folgen, dieses Jahr allesamt wegfielen: Die positive Resonanz von Besuchern, die Eröffnungsfeier, die vielen Eindrücke beim Durchstreifen der Ausstellung. Die Zeit um die Jahresausstellung ist normalerweise sehr emotional: Da liegen der beinahe Nervenzusammenbruch und die totale Euphorie oft nur wenige Stunden auseinander. Dieses Jahr fühlte sich alles nüchterner an.“

Inwieweit hat Dich die Corona-Krise in den vergangenen Monaten als Künstlerin beeinflusst oder gar beeinträchtigt?“

„Beeinträchtigt hat die Coronakrise wohl am meisten die sozialen Erfahrungen. Ein Kunststudium lebt davon, von anderen zu lernen. Vieles ergibt sich aus zufälligen Begegnungen in der Hochschule oder in der Hamburger Kunstszene. Während man gezielte Kontakte über eine Zeit auch gut digital pflegen kann, lässt sich diese unstrukturierte Art der Begegnung nur schwer digital herstellen.“

Was ist die Idee, Ausgangspunkt, der Grundgedanke Deines Werks für die Jahresausstellung?

„Wie ein Raumteiler aus zum Trocknen aufgespannten Fellen hängen meine textilen Stepp-Objekte an einem Gestell aus Nordic Walking Stöcken. An kleinen Anhängern und als Umlaufband im Raum reihen sich schematische Berg-Darstellungen, für die ich Platzhalterbilder im Internet gesammelt habe. Mich interessiert die Widersprüchlichkeit der Konstruktion von Wildnis und Naturerleben durch Outdoormarken. Es wird das Bild einer Ursprünglichkeitserfahrung heraufbeschworen, der mit einem Arsenal an technischer Ausrüstung begegnet wird. Gleichzeitig ist die gesamte Outdoor-Ästhetik ein urbanes Statussymbol und damit überhaupt nicht losgelöst von zivilisatorischen Zwängen.“

second nature, Karla Zipfel, HFBK Hamburg
second nature, Karla Zipfel, HFBK Hamburg
second nature, Karla Zipfel, HFBK Hamburg
second nature, Karla Zipfel, HFBK Hamburg
„Es wird nicht die letzte Krise sein. Es ist auch heilsam, sich ab und zu die eigenen Privilegien zu vergegenwärtigen.“
– Karla Zipfel

Wie geht es weiter für Dich als Künstlerin? Mit welchen Gedanken und Gefühlen blickst Du in die Zukunft?

„Ich bin ehrlich gesagt froh, dass mich die Pandemie zu einem Zeitpunkt erwischt, in dem ich noch den Schutzraum der Hochschule habe. Auch hatte ich dieses Jahr das Glück, dass keine meiner Ausstellungen 2020 abgesagt wurde, auch wenn es natürlich Einschränkungen gab. Bevor ich mein Kunststudium an der HFBK begonnen habe, habe ich lange über der Frage gegrübelt, ob und wie ich in dem System der Kunstwelt bestehen kann. Seit ich an der HFBK bin, stellt sich mir die Frage nach dem Ob überhaupt nicht mehr. Seither gelingt es mir besser, die Existenzfragen produktiv anzugehen und zu überlegen, an welchen Bausteinen ich selbst arbeiten kann, aber auch, wie wir Kunstschaffenden untereinander solidarisch sein können.“

Und hier der Link zu weiteren Informationen zur Jahresausstellung

https://www.hfbk-hamburg.de/de/aktuelles/jahresausstellung/

Autor: Kay Dethlefs