Total digital. Eine Jahresausstellung junger Künstler ganz ohne Publikum. Leere Flure und Treppenhäuser, dafür Räume mit viel bemerkenswerter Kunst, aber eben ohne Besucher. Wo sich sonst Menschenmengen drängen, war diesmal tote Hose. Immerhin gab es viele Versuche und Ideen mit Smartphones, Videos und Zoomkonferenzen etwas Leben in die Veranstaltung zu bringen. Ein Novum in der Geschichte der Hochschule für bildende Künste (HFBK). Zu der Situation habe ich einige Künstlerinnen befragt, hier die Antworten von Lena Schramm aus der Klasse von Professor Werner Büttner.

5 Fragen an die Künstlerin Lena Schramm

Diese Jahresausstellung war sehr speziell, komplett digital Wie war das für Dich als Künstlerin?

„Das rein digitale Zeigen war zwar besser als gar nichts, aber letztlich war es  völlig unbefriedigend. Die Physis vor nichtdigitalen Werken, die auch nicht  extra für den virtuellen Raum entstanden sind, kann keine Reproduktion  ersetzen. Meine Malereien und Skulpturen für die Jahresausstellung enthielten diesmal viele kleine Details. Es wäre schön gewesen sie von nah und fern zu betrachten, sich da was raus zu picken, was vielleicht Fragen aufwirft.“  

Lena Schramm in ihrem Atelier © Foto Malte Metag
Lena Schramm in ihrem Atelier © Foto Malte Metag

Inwieweit hat Dich die Corona-Krise in den vergangenen Monaten als Künstlerin beeinflusst oder gar beeinträchtigt?

„In Bezug auf das Arbeiten im Atelier eigentlich gar nicht. Malen ist per se eine Tätigkeit bei der das Alleinsein Voraussetzung ist und Phasen finanzieller Unsicherheiten leider ein Teil der Entscheidung, dem nachzugehen. Was aber wirklich schade war, dass geplante Ausstellungen abgesagt oder verschoben wurden. Andererseits schreibe ich gerade ein Lexikon – Zurückgezogenheit ist etwas, das ich dafür und auch grundsätzlich brauche und schätze.“ 

„Das rein digitale Zeigen war zwar besser als gar nichts, aber letztlich war es  völlig unbefriedigend.“
– Lena Schramm

Gibt es etwas, was Du als Künstlerin aus der Krise lernen konntest? Was nimmst Du mit?

„Was das Existenzielle angeht, gar nichts. Aber es gab dann doch schon ein paar  inhaltliche Auswirkungen. Ich hatte im ersten Lockdown einen riesigen Smiley als Ecstasy-Tablette gemalt. Ich hätte nicht gedacht, das ich dieses nervige Motiv jemals wählen würde. Der Smiley steht für Acid House, wurde aber schon 1963 von Harvey Ball erfunden als Maskottchen zur Hebung der Arbeitsmoral für eine Versicherungsgesellschaft. In Zusammenhang mit meinem Bildtitel57 Jahre Heiterkeit“ und dem Verbot von „Tanzlustbarkeiten“, wie es die Hygieneschutzverordnung formulierte, erschien mir der Moment, den Smiley als Symbol für das Ende einer alten fröhlichen Zeit auszusuchen, plötzlich ziemlich passend.“ 

"57 Jahre Heiterkeit", Lena Schramm
„57 Jahre Heiterkeit“, Lena Schramm
Lena Schramm, Hochschule für bildende Künste (HFBK)
Lena Schramm, Hochschule für bildende Künste (HFBK)
„Ich hoffe, daß die Krise ein paar positive Auswirkungen auf den Kunstmarkt hat…bezahlbare Räume für Künstler sind überhaupt das Wichtigste.“
– Lena Schramm

Was ist die Idee, Ausgangspunkt, der Grundgedanke Deines Werks für die Jahresausstellung?

„Ich male seit einiger Zeit Ecstasy-Tabletten. Die Menge der auf die Tabletten eingeprägten Firmenlogos und Symbole ist ein riesiger Fundus und wie eine kleine Kulturgeschichte, oder Markengeschichte, eine kapitalistische Miniaturwelt. Die Kombination aus Rausch und Volk ist ein uraltes Thema, findet aber in jeder Zeit seine spezifische Ausprägung. Dem spüre ich grade nach.“

Lena Schramm, Ecstasy-Tabletten mit Smiley
Lena Schramm, Ecstasy-Tabletten mit Smiley
Lena Schramm: kapitalistische Miniaturwelt
Lena Schramm: kapitalistische Miniaturwelt

Wie geht es weiter für Dich als Künstlerin? Mit welchen Gedanken und Gefühlen blickst Du in die Zukunft?

„Unbeirrt weitermachen, was anderes wüßte ich nicht. Außer vielleicht parallel noch Hühner züchten oder Salat anpflanzen. Ich hoffe, daß die Krise ein paar positive Auswirkungen auf den Kunstmarkt hat. Weg von Massenevents und unbezahlbaren Messeständen, hin zur Unterstützung sowohl jüngerer Galerien, als auch nichtkommerzieller Ausstellungsformate. Und bezahlbare Räume für Künstler sind überhaupt das Wichtigste, vielleicht tut sich da was mit der Entwicklung hin zum Homeoffice und der Umstrukturierung von Gewerbe- und Wohnraum. Vermutlich sind diese Wünsche aber naiv und alles fährt geimpft wieder die alten Systeme hoch.“

Lena Schramm, in der HFBK Hamburg
Lena Schramm, in der HFBK Hamburg, Klasse Prof. Werner Büttner

 

Hier der Link zur HFBK mit weiteren Informationen zur Jahresausstellung 2021:

https://www.hfbk-hamburg.de/de/aktuelles/jahresausstellung/

 

Autor: Kay Dethlefs