Es sollte ein Projekt werden mit nationaler Strahlkraft, „ein Modellprojekt für gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung“. Vielfältig sollte es sein, bezahlbar und dauerhaft. Das war die Idee der Akteure des Vereins Hallo e.V., die seit Jahren in den historischen Gemäuern aktiv sind und das Gelände alljährlich mit dem „Hallo Festival“ beleben. Das ehemalige, stillgelegte Kraftwerk Bille in Hammerbrook ist ein denkmalgeschütztes, ehemaliges Umspannwerk von ungewöhnlich großen Ausmaß – ein Areal mit viel historischem Charme, das viel Platz für Neues bietet.
Der Traum ist geplatzt, gegen einen Investor aus Berlin haben die Akteure aus der Kunst- und Kulturszene verloren. Das anspruchsvolle und sozial orientierte Stadtteilprojekt hat ein Berliner Immobilien-Unternehmer verhindert. Und das war möglich, obwohl es prominente Unterstützer gab, der Verein Hallo hatte sogar Vertreter der Stadt an seiner Seite. Millionen an Fördergeldern standen bereit, die jetzt nicht genutzt werden können. Wie kann das passieren?
Das Tauziehen um das Kraftwerk Bille
Im Sommer vor zweieinhalb Jahren gab es erste Hinweise, dass das Projekt gefährdet sein könnte. „Wir hatten bereits die Zusage der vorherigen Eigentümergesellschaft, einen Gebäudeteil als Gemeingut zu sichern“, sagte Vereinssprecherin Nina Manz der Hamburger Morgenpost im August 2021. Doch es kam alles ganz anders. Die Eigentümer, das Unternehmen MIB Coloured Fields, verkauften den Gebäudekomplex an die in Berlin ansässige Kraftwerk Bille Hamburg GmbH (KBH). Deren Geschäftsführer Lars Neubauer konnte oder wollte sich aber eine Kooperation mit dem genossenschaftlichen Modell des Vereins nicht vorstellen. Zuvor gab es eine Planung, wonach der Trägerverein Hallo für sein Stadtteil-Projekt 4000 Quadratmeter von den 20.000 der Gesamtfläche des Kraftwerkgeländes erwerben und nutzen könnte.
Es bleibt unklar, wie der Trägerverein Hallo e.V. hier ausgebootet werden konnte. Denn der Verein hatte den Bezirk-Mitte und einige Stiftungen auf seiner Seite. Und es war doch alles ganz anders besprochen. Wie kann es sein, dass ein solcher Deal zum Schaden eines geplanten, groß angelegten Kultur- und Stadtteilprojekts überhaupt von einem Investor aus Berlin durchgesetzt werden kann?
Welche Rolle spielt die Firma MIB Coloured Fields?
Der ehemalige Eigentümer ist kein Unbekannter: Die MIB Coloured Fields aus Sachsen hat ein vergleichbares Vorhaben vor Jahren umgesetzt, die Baumwollspinnerei in Leipzig. Auf der Website der Baumwollspinnerei wird immerhin klar, was alles so möglich sein könnte:
„Über Hundert Künstlerateliers, vierzehn Galerien, Werkstätten, Architekten, Designer, Schmuck- und Modemacher, der Künstlerbedarf «boesner», die Theaterspielstätte «Residenz», ein internationales Tanz- und Choreografiezentrum“.
So wollte die MIB es auch in Hammerbrook machen: „Wir geben Euch Raum, Ihr gebt uns Inhalte,“ so wird der Projektentwickler der MIB, Bertram Schultze, in der Zeit online im August 2021 zitiert. Und weiter: „Mit dem Zählerwerk wolle man ein „gemeinwohlorientiertes Entrée schaffen“, und das Haus „dauerhaft als Gemeingut“ sichern.“
Doch dann folgte der Rückzieher. Mit dem überraschenden Verkauf im Jahr 2020 hat der Investor MIB Coloured Fields das ambitionierte Vorhaben des Trägervereins Hallo e.V. in Hamburg beschädigt und im Ergebnis vernichtet.
Kraftwerk Bille: Luxus-Büros statt Kultur-Zentrum
Es war ein trauriger Ausklang. Im Sommer gab es noch eine Veranstaltung im Kraftwerk Bille. Abschied von der großen Idee eines kulturellen und sozialen Projekts mit nationaler Strahlkraft, gedacht für die Menschen, die hier leben.
Jetzt zählen die rein kommerziellen Interessen des Immobilien-Unternehmers Lars Neubauer aus Berlin, der hier unter anderem Luxus-Büros entstehen lassen will. Das ist das traurige Ende für ein ambitioniertes Projekt. Das Kultur-Zentrum mit wichtiger sozialer Stadtteilarbeit wird es nicht geben. Dafür hatten sich viele in den vergangenen Jahren engagiert. Ein spannendes und wichtiges Leuchtturm-Projekt, dass dem Stadtteil und den Hamburgern zugute gekommen wäre, geht an Investoren mit kommerziellen Interessen.
Die Moritat vom Haifisch
Zum Abschied haben sich die Aktivist:innen noch etwas einfallen lassen – sie singen ihre eigene Moritat vom Haifisch, frei nach der Moritat von Mackie Messer aus der Drei Groschen Oper von Bertold Brecht.
Und der Haifisch, der hat Zähne
und die trägt er im Gesicht
Und der Lars, der hat ein Messer
und das Messer sieht man nicht.
Und es sind des Haifischs Flossen
Rot, wenn dieser Blut vergießt.
Und MIB trägt einen Handschuh
Drauf man keine Untat liest…
An der Bille grünem Wasser
Fallen plötzlich Orte um
Es ist weder Pest noch Corona
Der Immobilienhai, der geht um …
Warum hat der Verein Hallo nicht mehr gekämpft?
NACHTRAG: Schon vor anderthalb Jahren war klar, dass das Kultur-Projekt im Kraftwerk Bille gefährdet ist. Der neue Investor hat sich nicht auf die Pläne des Vereins eingelassen. Da hätten alle roten Lampen bei den Verantwortlichen des Vereins Hallo e. V., Dorothee Halbrock und Nina Manz, angehen müssen. Erst jetzt kommen einige Presserklärungen vom Verein Hallo e.V. und von einem Bündnis AG Ost, das sich mit ihnen solidarisiert. Seit dem Sommer 2021 frage ich als Journalist nach einem Termin für ein Gespräch bei Dorothee Halbrock und Nina Manz an – es wird vertagt und vertagt und dann ganz abgesagt. Warum blieb es in der ganzen Zeit so still? Warum keine Medienarbeit? Haben die Verantwortlichen geschlafen? Im vergangenen Sommer gab es eine Demonstration vieler Beteiligter, die auf den Fotos hier zu sehen ist. An dem Nachmittag war wieder einmal ein Gespräch nicht möglich, auch nicht in den Wochen danach. Und ein Echo dieser Protestaktion in den Medien konnte ich auch nicht erkennen.
Der Verein Hallo wird bestehen bleiben und weiter an Projekten im Osten Hamburgs arbeiten. Für die zukünftigen Projekte und für eine gelungene und wirksame Öffentlichkeitsarbeit wünsche ich Hallo e.V alles Gute.
Der Link zur Homepage vom Verein Hallo e.V.
https://www.hallohallohallo.org/de
Der Link zur Website des neuen Betreibers/Investors des Kraftwerk Bille
Kommentare von Kay Dethlefs