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(6. Juni 2018) Mit einer Anekdote zu seinem Frühwerk „Der amerikanische Freund“ fängt Wim Wenders das Publikum gleich ein. Der Star-Regisseur erzählt, dass Schauspieler Bruno Ganz während der Dreharbeiten einen geladenen Revolver getragen habe: „Ein Nachbau wäre zu teuer gewesen“. Und auch der Regisseur trug diesen geladenen Revolver einen Tag lang bei sich, „um ein Gefühl für die Rolle zu bekommen.“ Das hatte ihm Bruno Ganz abverlangt, dem die Waffe zu schwer erschien.
Wenders Filmklassiker auf St. Pauli
Mit solchen Geschichten rund um seinen Erfolgsfilm aus dem Jahr 1977 unterhält Wenders die Zuschauer im Alabama Kino in Hamburg. „Der amerikanische Freund“ mit Bruno Ganz, Dennis Hopper und Lisa Kreuzer in den Hauptrollen spielt in Paris und New York, aber hauptsächlich in Hamburg auf St. Pauli, überwiegend in der Gegend um den Fischmarkt.
Eine Stadt sieht einen Film
Der Filmklassiker wurde an einem Tag in fünfzehn Hamburger Kinos gezeigt – Motto dieser Aktion: Eine Stadt sieht einen Film. Zum dritten Mal haben Programmkinos in Hamburg einen besonderen Film gewürdigt – mit Lesungen, Diskussionen, einer Fotoausstellung – und als Highlight gab es eine Führung, den „Walk with Wim“ zu den Originalschauplätzen.
https://www.eine-stadt-sieht-einen-film.de
„In Hamburg hat sich viel verändert,“ bemerkt Wim Wenders zu Recht. Ein ehemals malerisches Stück altes Hamburg mit sympathisch abgerockten Altbauten am Fischmarkt kommt heute modernisiert und touristenfreundlich daher. Die Fotografin und Bloggerin Andrea David hat recht aufwendig und liebevoll dokumentiert, wie sich die Schauplätze von damals bis heute verändert haben:
https://www.filmtourismus.de/der-amerikanische-freund/
Pionier und Kult-Regisseur
Wim Wenders gilt heute als einer der herausragenden und prägenden deutschen Filmregisseure. Bekannt wurde er 1974 mit „Alice in den Städten“. Als seine größten kommerziellen Erfolge gelten die Spielfilme „Paris, Texas“ (1984), der mit der Goldenen Palme in Cannes geehrt wurde, und „Der Himmel über Berlin“(1987). Mit der für einen Oskar nominierten Musik-Doku „Buena Vista Social Club“ (1999) landete Wenders einen Welterfolg. Bis vor einem Jahr lehrte der in Berlin lebende Regisseur an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) in Hamburg.
Die Story hinter der Story
„Der amerikanische Freund“ ist eine Verfilmung des Romans „Ripley’s Game“ von Patricia Highsmith. Wenders erzählt, wie er damals mit viel Mühe an die Filmrechte des Romans gekommen ist. Den Diogenes-Verlag in der Schweiz hatte er bereits viermal angeschrieben, um die Rechte an einem Highsmith-Romans zu ergattern. Jedesmal waren ihm Produzenten aus den USA zuvor gekommen, auch Alfred Hitchcock hatte sich schon bedient. Die Situation schien aussichtslos. Bis zu dem Tag, als der Jungregisseur einen Brief von Patricia Highsmith erhält, die ihn zu sich in die Nähe von Paris einlädt. Dort begegnen sich die beiden schließlich, und die Schriftstellerin erzählt, dass sie von seinen vergeblichen Versuchen erfahren habe. Daraufhin steht sie auf, geht zum Schreibtisch, so berichtet Wenders, und sie zeigt ihm ihr neuestes Manuskript mit dem Titel „Ripley’s Game“: „Die Rechte können Sie von mir haben,“ sagt sie, „denn der Verlag weiß noch gar nichts von diesem Roman.“
In dieser Kriminalstory trifft der skrupellose Tom Ripley (Dennis Hopper) in Hamburg auf den an Leukämie erkrankten Rahmenmacher Jonathan Zimmermann (Bruno Ganz), dem er vorschlägt für hohe Summen zwei Morde in Paris zu begehen.
Nach der Premiere des Films sah Wim Wenders die Schriftstellerin kopfschüttelnd, sie verließ das Kino grußlos und sagte nur: „So habe ich mir das nicht vorgestellt.“ Erst Jahre später zeigte sie sich versöhnlich und fand, dass Dennis Hopper ihrer Figur des Ripley durchaus nahe gekommen sei, erzählt der Regisseur.
Ein Grußwort von Bruno Ganz
Ein Schmankerl hält das Alabama Kino noch bereit. Bruno Ganz konnte es an diesem Tag nicht nach Hamburg schaffen, überraschte dafür das Publikum und auch Wim Wenders mit einer Videobotschaft.
„Das war nicht einfach eine Literaturverfilmung. Das war meine erste, wichtige Rolle,“ sagt Ganz etwas verschmitzt. „Ich im Mantel mit einem Revolver – das war großes Kino!“
Kommentare von Kay Dethlefs