Sie mag es bunt, poppig, und vor allem rosarot. Clemencia Labin präsentiert verspielte Objekte mit verschlungenen Wülsten in einem freundlich leuchtenden rosa. Und diese Hautfarbe ist hier praktisch Programm –  „Flesh Coralino“ heißt die Ausstellung. Im Artist Talk mit Kuratorin Lydia Jung erläutert die Künstlerin in der gut besuchten Galerie Melike Bilir ihre Arbeiten. „Fleshfarbe, das ist so ein Hautton und Coralino, das kam durch diese Strümpfe, die einfach neon-korall sind.“ Denn die Nylonstrümpfe geben den Objekten die charakteristische wurstähnliche Form und Farbe, die die Künstlerin an Fruchtfleisch einiger Früchte (Pulpa) erinnert.

© Galerie Melike Bilir, „Flesh Coralino“, Clemencia Labin
© Galerie Melike Bilir, „Flesh Coralino“, Clemencia Labin

Clemencia Labin und die Farben der Karibik

Die Heimat der Künstlerin ist Venezuela. Sie werde durch Farben angesprochen, etwas zu machen, sagt sie. „Die Farbe ist für mich fast wichtiger als die Form“. Eher durch Zufall habe sie angefangen, mit bunten Bikinis zu arbeiten. Die Schwester einer Galeristin in Venezuela produzierte Bikinis und bot der Künstlerin die farbenfrohen Stoffreste an.

„Für mich ist die Farbe fast wichtiger als die Form.“

-Clemencia Labin

„Und so habe ich einen grossen Sack mit Bikinis mit nach Hamburg genommen.“ Der weite Weg hat sch gelohnt: „Die Stoffe hier in Deutschland waren alle ernsthafter, weniger verrückt. Hier hat man die Tendenz, sich uni und gedämpft zu halten.“

© Galerie Melike Bilir, „Flesh Coralino“, Clemencia Labin
© Galerie Melike Bilir, „Flesh Coralino“, Clemencia Labin
© Galerie Melike Bilir, „Flesh Coralino“, Clemencia Labin

Wie geht sie damit um, dass Leute sagen, nur eine Künstlerin aus Venezuela könne solche Farben verwenden, fragt die Kuratorin. Für die Künstlerin sind das Vorurteile – poppige Farben gäbe es schließlich überall in der Malerei, und das in verschiedenen Epochen.

„Leider ist es immer noch so: Wenn man die Farben sieht und mich sieht, dann denkt man sofort: Ja, das ist Karibik, Südamerika, nur der Papagei fehlt noch!“ Schon an der Kunsthochschule in Hamburg (der HfbK) galt sie als bunter Vogel, erzählt die Künstlerin. Das mag auch an ihrem heiteren, humorvollen Temperament liegen, und an ihrer sympathischen Offenheit.

Der bunte Vogel unter den Bildhauern

Sie erzählt den Zuhörern, dass sie sich zunächst in einer Bildhauerklasse wiederfand, bei dem legendären Kunstprofessor Franz Erhard Walther, wo Malerei eigentlich verpönt war. „Du musstest irgend etwas Dreidimensionales mit Spanplatten machen, um überhaupt jemand zu sein.“

Rückblickend hatte das sein Gutes, vermutet sie, denn das mag der Einfluss gewesen sein, um später mit Volumen und Skulpturen zu arbeiten. „Es war immer ein Körper, oder besser: ein Objekt, es musste dreidimensional sein, ich wollte es nicht ganz flach an der Wand haben.“

Video, Performance & Extrawurst

Zu  ihren Ausstellungen gehört immer eine Performance – und die hat die Künstlerin in einem reizenden Video festgehalten. Es ist ein Tanz. Dazu schlüpfte die Künstlerin in ein für sie speziell angefertigtes Kostüm, eine Pulpa – die Schrittfolgen und Bewegungen hat sie zuvor mit einer Profitänzerin geübt.

Video von Clemencia Labin © Galerie Melike Bilir

Ihr Sinn für Humor flackert im Gespräch immer wieder auf. Wer etwa den fleischgewordenen Skulpturen partout nicht widerstehen kann, und sie unbedingt berühren möchte, der darf das! Hier gibt es eine sogenannte Extrawurst aus dem verführerischen Material. Also, bitte zugreifen, drücken und streicheln!

Clemencia Labin, Melike Bilir mit Extrawurst © Galerie Melike Bilir

Leben zwischen Hamburg und Venezuela

Die Malerin und Performance-Künstlerin Clemencia Labin stammt aus Maracaibo in Venezuela. Ihre Skulpturen und Objekte wurden international ausgestellt. Sie hat das Land Venezuela im Jahr 2011 auf der Biennale in Venedig vertreten. Als außergewöhnlich und einzigartig gilt ihr jahrelanges künstlerisches Engagement in ihrer Heimatstadt Maracaibo: Die Künstlerin erfand und organisierte über dreizehn Jahre ein erfolgreiches,  internationales Kunstfestival – »Velada Santa Lucia«. Das Festival hat Einwohner stark mit einbezogen, um so eine Brücke zwischen Kunst und ganz normalen Menschen zu bauen. Performances und Feiern gehören für sie immer mit dazu.

„Ich finde, dass Kunst auch ein Teil des Lebens ist, und man muss das auch feiern können.  Und nicht einfach so trocken diskutieren oder analysieren. Man muss das unbefangen wie ein Kind sehen, ohne sich zu viel Gedanken zu machen.“

– Clemencia Labin

 

http://www.clemencialabin.com

http://www.melikebilir.com/de/

Autor: Kay Dethlefs