Kunstgenie und Visionär Joseph Beuys  hatte es wieder einmal geschafft: Seine ebenso monströse wie rätselhafte Installation „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ war auf der Documenta 6 ein Zuschauermagnet. Die Idee dabei war, mit Hilfe einer eigens konstruierten Pumpe und einem ausgeklügelten Schlauchsystem einen Kreislauf zu schaffen, durch den unablässig Honig fliessen sollte, und zwar direkt durch die Räume des Fridericianums, dem ehrwürdigen Hauptgebäude der Documenta.

Hier der Link zur Podcast-Episode mit Galerist Sigi Sander – den Podcast Hamburg Arts könnt Ihr auch abonnieren.

Fotos der Honigpumpe sind urheberrechtlich schwer zugänglich. Bei Interesse einfach den Begriff in eine Suchmaschine eingeben, dann sind einige Bilder zu sehen.

Ein wunderbares Dokument: Joseph Beuys mit Honigpumpe im Interview: TV-Beitrag zur Documenta 6:

Quelle: KunstSpectrum: 3 Sat, documenta VI – Magie der neuen Medien 2/2

Beuys auf der Hannovermesse

Ein technisch gewagtes Unterfangen, und erst nach langen Recherchen im Vorfeld der Documenta traf Beuys auf  einen geeignete Mitstreiter. Denn er hatte einen heißen Tipp bekommen. Bei einem Besuch auf der Hannovermesse suchte Beuys den Stand des Ingenieurs Aloys Wilmsen auf, einem Mitarbeiter der Pumpenfabrik Wangen in der Nähe von Ulm. Beuys machte es kurz: „Können Sie auch Honig pumpen?“. In einem Video im Museum Ulm, das eine grosse Beuys-Ausstellung gezeigt hat, schildert Ingenieur Aloys Wilmsen den Dialog mit Beuys:

„Ich denk, was will der Mann denn eigentlich? Dann sagt er: Wie weit können Sie den Honig pumpen? Zehn Meter? 20 Meter? Wie weit denn? Ich sag: Ja, das geht. Und dann sagt der: Können Sie auch hochpumpen? Ich sag: Ja, warum nicht. Oder zur Seite. Oder runter. Ich sag: Das geht alles. Wie ist denn das? Ich hatte keine Vorstellung, was der will. Und die Leitungen wurden immer länger.“

Zunächst wusste Wilmsen nicht, dass er Joseph Beuys vor sich hatte, bis er später aus allen Wolken fiel. Aus der heutigen Sicht  des Ingenieurs ließ er sich zu spontan und leichtfertig auf den Auftrag ein. Unter Zeitdruck tüftelten der erfinderische Schwabe und Beuys wochenlang an der Idee, die dann tatsächlich im Sinne von Beuys funktionierte und pünktlich an den Start ging.

150 Kilo Honig, 170 Meter Schläuche und die legendäre Honigpumpe

Die Anlage, eine Konstruktion wie aus einem Fantasyfilm, hat für viele eine Symbolkraft: Sie erinnere an einen lebendigen Organismus, oder an einen Wirtschaftskreislauf, ein System mit einem pumpenden Herzen. Der spätere Assistent von Beuys, Sigi Sander, war damals dabei. Ihm sind solche Interpretationen zu flach: „Das würde den ganzen Zauber dieser Installation kaputt machen“, sagt er.  In der Podcast-Folge zu Beuys‘ Honigpumpe berichtet Sigi Sander, wie es damals im Jahr 1977 zuging. Da war er noch Gymnasiast in Gelsenkirchen und einer der Schüler im Kunstunterricht von Beuys‘ Meisterschüler Johannes Stüttgen.

© Rainer Rappmann www.fiu-verlag.com
© Rainer Rappmann www.fiu-verlag.com

100 Tage am Arbeitsplatz

In vielen Berichten steht die Honigpumpe im Vordergrund, genau so wichtig ist der „Arbeitslatz“, nämlich die Tagungsräume im Fridericianum in Kassel, durch die die Honigschläuche liefen. Die von Beuys mit gegründete Free International University (FIU) legte ein Programm mit Themen vor, Ausgangspunkt für die Diskussionsrunden, in denen sich geladene Gäste und Gruppen aus der ganzen Welt trafen. Hier ein Auszug aus der Themenliste:

  • Atomenergie und alternative Energien
  • Medien und Manipulation
  • Der Verfall der Städte
  • Das Problem der Fremdarbeiter
  • Soziale Weltprobleme
  • Gewalt und soziales Verhalten
  • Arbeit und Arbeitslosigkeit

Und Joseph Beuys, der Polit-Aktivist und unermüdliche Redner, war immer dabei. Die Themen der Freien Internationalen Universität und speziell die Thesen und Fragen von Joseph Beuys werden in journalistischen Beiträgen regelmässig als hochaktuell einsortiert. Tatsächlich liest sich die Liste so, als sei sie erst kürzlich erstellt worden, und nicht Mitte der 70er Jahre.

Autor: Kay Dethlefs

Link zu Sigi Sanders Galerie Multiple Box in Hamburg:
https://www.multiple-box.de/
Foto von Joseph Beuys: Rainer Rappmann, FIU-Verlag
http://www.fiu-verlag.com